Ringvorlesung der Evangelisch-Theologischen Fakultät, öffentlich für Hörer*innen aller Fakultäten
Veranstaltung zum Themenschwerpunkt des Studium Generale „Mythen und Rituale“
Zeit: Dienstag, 18 Uhr c.t.
Ort: Hörsaal T1/T2, Wallstr. 7, 55122 Mainz (Theologicum)
Es gelten die Regeln des Hygienekonzeptes der JGU.
Aktueller Hinweis: Die Vorlesungen im Jahr 2022 finden hybrid statt, die entsprechenden Links finden Sie unten bei den jeweiligen Vorträgen.
Die Entdeckung des Zusammenhanges zwischen „Mythos“ und „Ritus“ in der homerischen Dichtung durch Christian Gottlob Heyne (1729-1812) und andere steht am Beginn religionswissenschaftlicher Forschung. Die antiken Gesellschaften, in denen u.a. das Christentum entstand, kannten praktisch kein „nicht-religiöses“ Leben und das hieß: Ein Leben, das von Ritualen geprägt war, die in einem Zusammenhang mit den antiken Auffassungen von Menschen und Göttern standen. Kurz: Ein Leben zwischen Ritus und Weltanschauung, zwischen Ritus und Mythos. Heynes Mythosdefinition – als Gegenbegriff zur fabula entstanden – wurde deshalb so erfolgreich, weil sie die Ernsthaftigkeit der antiken Mythen rehabilitierte. Hatte sich die Aufklärung stets um logische Klarheit bemüht, hatte sich die evangelische Theologie seit dem 17. Jh. vor allen Dingen um begriffliche Präzision gekümmert, so wurde vielen Intellektuellen gegen Ende des 18.Jh.s immer deutlicher, dass sich weder die historischen Religionen und Gesellschaften noch viele zeitgenössische Formen von Religiosität mit diesen Ansätzen zureichend erklären und erfassen ließen. Spätestens mit der französischen Revolution und der tiefgreifenden Kritik an ihren Folgen (vor allem durch deutsche und englische Denker) setzte eine Auseinandersetzung mit den nun positiver gesehenen Mythen als „ursprünglicheren“ Formen menschlicher Reflexion ein. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff des Rituals entdeckt. Bereits Heyne selbst hatte darauf hingewiesen, dass in den antiken Gesellschaften Mythos und Ritual zusammengehörten und dieses „Tandem“ prägt bis heute die Grundbestimmung von Ritualen in der Forschung. Grundvoraussetzung für eine angemessene Ritualanalyse ist nach wie vor, dass man ein Symbolsystem nicht ohne das betrachtet, auf das es verweist und vice versa (vgl. Clifford Geertz u.a.).
Im Gegensatz zum 19. Jh. wird heute der „positive“ Beitrag von Mythos und Ritual zur geistigen Entwicklungsgeschichte der Menschheit nicht mehr darin gesehen, dass beide dem Menschen halfen, ansonsten nicht erklärbare Phänomene und Erfahrungen zu deuten, etwa unberechenbares Wetter, Naturkatastrophen, der unvorhersehbare Lauf der Sonne und der Sterne, Geburt und Tod. Ihre als immer komplexer verstandene Bedeutung für den Umgang mit menschlichen Kontingenzerfahrungen ist Gegenstand umfangreicher religions-wissenschaftlicher, historischer, kulturanthropologischer und soziologischer Studien geworden und fast alle theologischen Disziplinen setzen sich heute mit diesen Fragen auseinander. Die Veranstaltung soll vor diesem Hintergrund mit den unterschiedlichen Perspektiven der Theologie und verwandter Disziplinen auf den Komplex „Mythos und Ritual“ blicken und richtet sich an Theologiestudierende genauso wie an Hörerinnen und Hörer aller Fachbereiche.
Di, 26. Okt. 2021, Ulrich Volp: Mythos, Ritus, Ritual – eine Einführung
Di, 2. Nov. 2021, Sebastian Grätz: Alttestamentliche Apokalyptik als zeitlich verorteter Mythos
Di, 9. Nov. 2021, Ruben Zimmermann: Der Androgynie-Mythos und das dritte Geschlecht? Antike historische Wurzeln in philosophischen, jüdischen und frühchristlichen Texten und gegenwärtige Relevanz
Di, 16. Nov. 2021, Michael Roth: Verschwörungstheorien, Mythen und Religion
Di, 23. Nov. 2021, Doris Prechel (IAW): Hethitische Rituale
Di, 30. Nov. 2021, Kristian Fechtner: Zur Wahrnehmung und Bedeutung von Ritualen. Praktisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Erwägungen
Di, 7. Dez. 2021, Volker Küster: Mythos, Ritus und der ethische Imperativ. Interkulturelle Perspektiven
Di, 14. Dez. 2021, Nicole Straßburger: Rituelle Deponierung an Heiligtümern im antiken Israel/Palästina
Di, 11. Jan. 2022, Stefan Michels: „Martin Niemöller – ein Leben in Opposition“ (?). Entmythologisierungsdynamiken am Beispiel einer aktuellen Debatte
Di, 18. Jan. 2022, Esther Kobel: „Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohns, so habt ihr kein Leben in euch.“ Rituale im Hintergrund von Joh 6
Di, 25. Jan. 2022, William Loader (Murdoch University): Skandalös! Engel schlafen mit
Frauen. Ein Mythos und seine Konsequenzen
(Alle Vortragenden sind, sofern nicht anders angegeben, Mitglieder der Ev.-Theol. Fakultät.)