Menschen verletzen einander und sind verletzbar – sie sind „vulnerant“ und „vulnerabel“, an dieser anthropologischen Grundeinsicht besteht gemeinhin kein Zweifel. Wo immer Menschen zueinander in eine Beziehung treten, sei sie intim, freundschaftlich oder kollegial, besteht die Möglichkeit zur Verletzung dieser Beziehung und der in dieser Beziehung Stehenden. Sind Vulneranz und Vulnerabilität als conditiones humanae anerkannt, so wird in gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskursen nicht selten eine jüngst gesteigerte emotionale Verletzlichkeit im zwischenmenschlichen Miteinander und damit einhergehend eine Zunahme von Momenten der Verletztheit diagnostiziert, sei es negativ im Sinne einer gesteigerten Empfindlichkeit oder positiv im Sinne einer gesteigerten Empfindsamkeit. Mit dem regen gesellschaftlichen Diskurs korrespondiert ein neu bzw. erneut wachsendes geisteswissenschaftliches Interesse an Verletzlichkeit, Verletztheit und dem Akt des Verletzens. Dabei ist dem gesellschaftlichen und dem wissenschaftlichen Diskurs gemein, zu der Frage zu provozieren, wie in unseren Beziehungen Verletzungen vorgebeugt und mit entstandenen Verletzungen umgegangen wird bzw. werden kann.
Der durch die Tagung ermöglichte interdisziplinäre Austausch zwischen evangelischer und katholischer Theologie, Philosophie, Soziologie und Psychologie partizipierte an dem Interesse einer Verständigung bezüglich dieser Frage und trug durch die interdisziplinäre Konzeption der Multidimensionalität des Phänomens emotionaler Verletzungen und dem Umgang mit ihnen Rechnung.