Einladung

Am Dienstag, den 4. September 2007, findet um 18.15 Uhr in der Martinus-Bibliothek Grebenstraße 8 (Eintritt frei), ein Vortragabend von Prof. Dr. Andreas Lehnardt (Seminar für Judaistik, Mainz) Prof. Dr. Friedemann Kreuder (Institut für Theaterwissenschaft, Mainz) und Dr. Josef Bamberger (Seminar für Judaistik, Mainz-Jerusalem) statt zum Thema:

Purim-Theater: Jüdischer Karneval in Mainz wieder entdeckt

Das jüdische Purim-Fest gehört zu den wichtigsten Freudentagen im Judentum. Es wird häufig mit dem Karneval verglichen. Als Purim-Spiel bezeichnet man dramatische Widergaben des biblischen Ester-Buches, die seit dem 16. Jahrhundert in vielen deutschen Gemeinden üblich waren. Anhand einer in der Martinus-Bibliothek befindlichen Handschrift aus dem Jahre 1751 soll das jüdische Theater beleuchtet werden. Die im Jahre 1932 beabsichtigte Veröffentlichung des bis heute unerforschten Manuskripts konnte aufgrund der politischen Umstände nicht durchgeführt werden. Das einmalige Stück wurde in Frankfurt zur Aufführung gebracht, doch dann aufgrund zunächst ungeklärter Umstände vom Rat der Stadt verboten. Die genauen Hintergründe des Verbots konnten nun aufgrund neuester Aktenfunde geklärt werden. Das Manuskript des Theaterstücks fand sich in dem in der Martinus-Bibliothek aufbewahrten Nachlass von J. F. G. Schlosser, einem Freund J. W. von Goethes. Frühneuzeitliche Purim-Spiele lehnten sich oft an das nicht-jüdische Fastnachtsspiel an. Die Charaktere des Purim-Spiels zeichnen sich durch parodisierende und vulgäre Züge aus. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht ist die Handschrift ein erstklassiges Dokument zur Erhellung weitgehend unerforschter Formen nicht-mimetisch-referentiellen Theaters des genannten Zeitraums. Die jüdischen Varianten dieser populären Form von Theater sind bislang gänzlich unerforscht. Ihre Aufarbeitung dürfte zur Re-Lektüre der bestehenden Theatergeschichtsschreibung auf „Werkleistungsbasis“ in der gegenwärtigen Theaterwissenschaft beitragen. Hinsichtlich des damit einhergehenden Neu-Denkens theaterhistorischer „Genealogien“ (Foucault) sind insbesondere von der Erforschung und Einordnung der Figur des Mordechai, der schändliche Reden in seinem Munde führt und Gebete parodiert, viel versprechende Ergebnisse zu erwarten.